Junge Forschung!

Caroline Maas | Florian Aue
Since 04/2021 7 Episoden

JFH#05 - "Gehen oder Bleiben?": Jugendliche in der Berufsorientierung

Jan Schametat, Zukunftszentrum Holzminden-Höxter (ZZHH)

30.10.2021 33 min Caroline Maas | Florian Aue

Zusammenfassung & Show Notes

In der 5. Episode des HAWK-Forschungspodcasts „Junge Forschung“ wird ein Promotionsvorhaben aus der Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen am Standort Holzminden vorgestellt. Jan Schametat, Sozialwissenschaftler und Regionalreferent am Zukunftszentrum Holzminden-Höxter (ZZHH) berichtet über die Doppelbelastung von Jugendlichen in der Berufsorientierungsphase, die häufig verbunden ist mit der Frage „Gehen oder Bleiben?“, also einer Migrationsfrage. Wir erfahren viel über die Entwicklung einer Fragestellung und des Forschungsdesigns in partizipativen Formaten und wie es ist als Forscher einer Fachhochschule wahr- bzw. nicht wahrgenommen zu werden. 

 Zukunftszentrum Holzminden/Höxter: https://zzhh.hawk.de/de 
 
 

Transkript

Jannik
00:00:00
Ich glaube, einer der spannendsten Momente war, als ich noch hier meine Masterarbeit geschrieben habe, da kam ein Kollege rein, der sagte: „Jannik, Ich brauche deine Hilfe. Irgendwer muss den Not-Aus Knopf möglicherweise betätigen.“
Florian
00:00:15
Junge Forschung - der HAWK Forschungspodcast. Wissenschaft und Forschung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Ja, hallo Caroline.
Caroline
00:00:30
Hallo Florian.
Florian
00:00:32
Ich grüße dich. Wir sind beim zweiten Podcast. Ich auch und ich bin auch schon total gespannt, was heute das Thema ist. Beim letzten Mal war es ja schon sehr spannend. Und, worum geht es denn heute?
Caroline
00:00:50
Heute geht es um spritzgegossene Plasmaelektroden aus leitfähiger und nicht leitfähiger Keramik und wir interviewen Jannik Schulz aus der Arbeitsgruppe Laser und Plasmatechnologie von Fakultät I und er hat sich mit der Herstellung von Elektroden zur Plasmaerzeugung beschäftigt. Hallo Jannik.
Jannik
00:01:09
Hallo Caroline, hallo Florian.
Caroline
00:01:13
Schön, dass du da bist und dass du dich bereit erklärt hast, mit uns heute dieses Interview zu führen. Wir möchten heute sprechen über deine Promotion, die du begonnen hast oder über dein Promotions-Thema, an dem du arbeitest, und vielleicht magst du dich erst mal kurz vorstellen, wer du bist und seit wann du an der Hochschule bist und was du gerade machst.
Jannik
00:01:34
Ja, mein Name ist Jannik Schulz, ich habe 2012 hier an der Hochschule angefangen zu studieren, Elektrotechnik und Informationstechnik, hab sowohl Bachelor als auch Master hier gemacht und bin im Anschluss dann hier in der Forschungsgruppe gelandet und forsche jetzt an Plasmaelektroden.
Caroline
00:01:54
Ich habe von dir einen Vortrag gehört in einer Ringvorlesung, die ihr bei euch an Fakultät I für eure Masterstudierenden anbietet, Angewandte Wissenschaft und Forschung. Da haben unterschiedliche Doktorandinnen und Doktoranden ihre Vorhaben vorgestellt und diese Ringvorlesung hast du auch mit organisiert mit Julia zusammen, richtig?
Jannik
00:02:17
Ganz genau.
Caroline
00:02:18
Zum zweiten Mal jetzt?
Jannik
00:02:21
Genau, die hat letztes Semester, also im letzten Wintersemester, zum zweiten Mal stattgefunden und soll so ein bisschen als Wissenschaftstransfer in die Lehre dienen. Wir haben ja sehr viele Forschungsprojekte bei uns in der Forschungsgruppe und als Student bekommt man da häufig gar nicht so viel mit, was da genau abläuft und wir wollen damit den Studierenden zeigen was für spannenden Krams wir im Prinzip machen, oder auch was für spannenden Krams die Studierenden möglicherweise nach ihrem Studium oder während ihrer Abschlussarbeit bei uns in Abschlussarbeiten oder in einem Forschungsprojekt machen können.
Caroline
00:03:05
Ja, Jannik, magst du mal ein bisschen was von deinem Projekt erzählen? Wir haben ein Vorgespräch geführt und haben uns intensiv erst mal über deinen Titel unterhalten. Das sind ja mehrere Dinge, mehrere Wörter, die ich gar nicht auf Anhieb verstehen als Nicht-Mitglied eurer Arbeitsgruppe. Also, spritzgegossene Plasmaelektroden aus leitfähiger und nicht leitfähiger Keramik. Ich würde gern mit dem ersten Wort „spritzgegossen“ anfangen. Was verbirgt sich denn dahinter?
Jannik
00:03:38
Ja, der Spritzguss ist eine Herstellungsmethode für dreidimensionale Körper im Prinzip. Man kann sagen, es gibt verschiedene Möglichkeiten, beispielsweise die klassische additive Fertigung wäre 3D-Druck, es gibt so eine Art subtraktive Fertigung, das heißt ich nehme einen Block und friese da Teile raus, und es gibt halt eben unter anderem auch den Spritzguss. Dabei wird ein Material aufgeschmolzen und mit einem hohen Druck in eine Form geschossen. Da erstarrt der Körper dann aus diesem Material und kann dann entformt werden oder aus der Form genommen werden. Das Verfahren wird in der Regel überall da eingesetzt, wo hohe Stückzahlen gebraucht werden, beispielsweise Konsumergeräte werden häufig so gefertigt, also nehme man mal an ich sehe auf meinem Schreibtisch die Tastatur, die ganzen Tasten und die Gehäuse alles aus Kunststoff, das wird alles im Spritzguss hergestellt, weil das Verfahren sehr günstig ist, wenn man viele Stückzahlen hat und eine sehr hohe und gleichbleibende Qualität liefert.
Caroline
00:04:51
Ok und da ist die Idee dieses Verfahren eben auch für Plasmaelektroden zu nutzen. Also man braucht Elektroden, um Plasma herzustellen, und bei dir geht es also weniger um die Anwendung einer Plasmamethode, sondern eher um die Herstellung dieser Elektroden.
Jannik
00:05:08
Genau. Also dazu muss man sagen das Forschungsprojekt besteht nicht nur aus der Hochschule, also nicht nur die Hochschule ist eine forschende Institution in diesem Forschungsprojekt, sondern wir haben eine Kooperation mit dem Frauenhofer IKTS, das ist das Institut für Keramische Technologien und Systeme, die sitzen in Dresden und die betreiben Keramik Forschung. Und wir haben in diesem Forschungsrahmen noch zwölf weitere Unternehmen aus der Industrie, die sich an der Forschung beteiligen. Die Materialien, die wir verwenden, sind keramische Materialien. Du hattest ja schon gesagt das Forschungsprojekt behandelt leitfähige und nicht leitfähige Keramiken und diese leitfähige oder beziehungsweise diese nicht leitfähige Komponente, da erforschen wie das Titandioxid und als leitfähige Komponente erforschen wie das Titansuboxid.
Caroline
00:06:25
Erzähl mal bitte ein bisschen was über dieses Plasmafeld, was da entsteht.
Jannik
00:06:29
Wir erforschen hier im wesentlichen kalte Plasmen. Man sagt dazu dielektrisch behinderte Entladung. Das heißt wir brauchen ein so genanntes Dielektrikum, was elektrisch isolierend ist, das heißt da fließt kein Strom durch, und das kontaktieren wir häufig mit einem leitfähigen Material. Man kann sich das vorstellen wie beispielsweise zwei Becher, die gegenüberstehen, die Schale ist nicht elektrisch leitfähig und da packe ich was elektrisch Leitfähiges rein und bringen dann dieses elektrisch leitfähige Material unter Hochspannung und das erzeugt ein elektrisches Feld. Ein elektrisches Feld ist eine Teilkomponente der elektromagnetischen Energie. Und wenn das entsprechend hoch genug ist, kommt es zum Durchschlag, zum Durchbruch oder eben zur Plasmazündung. Jetzt ist es aber so, dass eigentlich im Weg ein Dielektrikum, also der elektrische Isolator ist. Das heißt wenn das elektrische Feld so groß ist, dass es dann in einem Gas Spalt, in einem Luftspalt zum Durchschlag kommt, fließt kein Strom effektiv durch diesen Leiter und dadurch wird die Entladung so weit abgebremst, dass die Entladung kalt ist. Das führt dazu, dass ich letztendlich sowas sogar auf der Haut zünden kann, ohne dass ich mich verbrenne. Es gibt dabei Anwendungen, beispielsweise habe ich ja gesagt, man kann so ein Plasma, so eine Entladung auf die Haut zünden. Es gibt Untersuchungen von unserer Hochschule aus und es gibt auch schon ein medizinisch zugelassenes Produkt, um die Haut zu behandeln, insbesondere Hautkrankheiten beziehungsweise Hautwunden und wir haben dabei herausgefunden, nicht ich, sondern meine Kollegen, dass dadurch insbesondere die Wundheilung gefördert wird.
Caroline
00:08:34
Nun geht es dir ja weniger um die Anwendbarkeit, sondern um die Herstellung der Elektroden.
Jannik
00:08:40
Ich erforsche jetzt explizit welche Einflüsse im Prinzip bei der Plasmaelektrode auf das Plasma, also welche Einflüsse die Plasmaelektrode teilweise hat. Aber wir haben auch Kollegen, die Holz behandeln, die die Haut behandeln, also auch Plasmamedizin betreiben. Eine Kollegin hat beispielsweise die Haut so plasmabehandelt, dass Medikamente, also Salben, besser wirken. Ich habe einen Kollegen, der die Regelung und die Steuerung von Plasma untersucht. Wir haben Kollegen, die Plasmaluftreinigung betreiben, also das Anwendungsfeld ist riesengroß, unser Forschungsfeld ist riesengroß, was es manchmal nicht so ganz einfach macht zu einem wissenschaftlichen Austausch zu kommen.
Caroline
00:09:44
Ich möchte nochmal zu der zu der Herstellungstechnologie, also zu der Spritzgusstechnologie zurückkommen. Du hast uns also erklärt, dass du mit zwei Materialien arbeitest, aus denen ein Körper entsteht im Spritzgussverfahren, also mit Titandioxid und Titansuboxiden. Was sind denn die Parameter, mit denen du in deiner Arbeit gespielt hast, was hast du variiert?
Jannik
00:10:08
Also die erste große Schwierigkeit war die unterschiedlichen Bedarfe meiner Projektpartner in eine Plasmaelektrode zu vereinen. Das Problem ist nämlich, dass der Spritzguss zwar sehr günstig ist in der Massenherstellung, aber wenn man jetzt wenige herstellen will, ist es sehr teuer. Man spricht das schon bei einem Spritzgusswerkzeug von hunderttausend Euro. Wenn man viele herstellen will, dann muss das aus hochwertigem Stahl gefräst werden und das ist sehr teuer. Für unser Projekt haben wir eine nicht so hochwertige Aluminiumform herstellen lassen, die ist dann vielleicht 10.000 Euro teuer, wodurch sich aber dann nicht mehr so viele Stückzahlen herstellen lassen, weil die sich schneller abnutzt. Die Schwierigkeit ist eben wir haben einen Versuch eine Elektrode zu bauen und aber Projektpartner, die gerne diese Elektrode in sehr unterschiedlichen Anwendungsgebieten testen wollen. Der eine macht beispielsweise Plasmaluftreinigung, der nächste möchte damit Oberflächen behandeln.
Caroline
00:11:26
Und dann habt ihr mehrere Elektroden auch hergestellt oder habt ihr eine hergestellt oder habt ihr mit den Materialien gespielt?
Jannik
00:11:37
Wir haben bei der Herstellung der Elektrode mit sehr wenigen Parametern gespielt. Also das war das Fraunhofer, die da eher mit den Parametern spielten. Dazu muss man sagen das Fraunhofer macht den Keramikspritzguss, das heißt, ich habe eben gerade von Kunststoffspritzguss gesprochen, das heißt Kunststoff schmilzt gut auf, Keramik tut das nicht. Das keramische Material, das liegt normalerweise in einer Pulverform vor und das muss mit einem Polymer vermischt werden, damit es überhaupt spritzgussfähig ist. Das heißt man kann das dann erwärmen und dann ist das viskos genug, um das in Form zu bringen. Ein großer Teil der Forschung, die das Frauenhofer Institut da letztendlich tut, ist herauszufinden auf welche Weise dieses Material überhaupt im Spritzguss fertigbar ist. Wenn das Material dann in Form gegossen wurde, dann muss das auch noch entbunden werden und gesintert werden und zu einem festen keramischen Körper weiter produziert werden. Auf unserer Seite liegen jetzt die Parameter. In erster Linie waren anfängliche Simulationen, die ich durchführen musste, um zu schauen welche Form letztendlich diese Elektrode haben musste, damit ich die verschiedenen Anwendungsgebiete auch erfüllen kann. Das heißt wir haben hauptsächlich elektrische Felder simuliert und uns die Verteilung angeguckt, damit wir möglichst gleichmäßige und homogene Plasmen erzeugen können. Bevor wir jetzt mit der endgültigen Spritzgussform angefangen haben, haben wir natürlich verschiedene Test- und Probekörper hergestellt, einfache Platten aus dem Material oder Töpfe, wo man dann mal die leitenden und nicht leitfähigen Materialien miteinander kombinieren konnte. Mit einigen dieser Probekörper habe ich dann auch erste Plasmazündungen gemacht und mir die angeguckt, wie die sowohl visuell als auch messtechnisch aussehen, wie sich das Material verhält in den Anwendungsgebieten, die wir da üblicherweise haben.
Caroline
00:14:01
Das ist aber der Schritt gewesen bevor die IKTS das dann hergestellt hat? Also es waren Vorversuchen?
Jannik
00:14:09
Das sind Vorversuchen gewesen.
Caroline
00:14:13
Was ist jetzt zurückgekommen vom IKTS?
Jannik
00:14:18
Tatsächlich sind seit wenigen Tagen die ersten Funktionsfähigen da. Die haben jetzt mehrere hergestellt, die alle, zumindest der isolierende Teil ist immer gleich, und der leitende Teil ist aufgrund eines Problems, was wir bei der Forschung feststellen konnten, ist der leitenden Teil jetzt separat hergestellt worden. Ursprünglich war es nämlich gedacht sowohl den leitenden als auch den nicht leitenden Teil in einer Form zu co-sintern, das heißt beide Teile werden gleichzeitig gesintert und bilden dann einen komplett geschlossenen Körper. Da das aber nicht funktioniert, weil es einen Sauerstoffaustausch zwischen den beiden Materialien gibt und die damit ihre Eigenschaften ändern, werden die jetzt separat hergestellt und sollen dann anschließend verbunden werden mit einem leitfähigen Klebstoff. Um das auszutesten, wie die sich gut fügen lassen, haben wir jetzt verschieden dicke Materialien bekommen, um zu schauen, ob der Fügespalt ausreicht, um sie miteinander zu fügen.
Caroline
00:15:23
Also ihr seid noch gar nicht so weit, dass ihr die Elektroden, die ihr dann hergestellt habt, testen könnt. Ihr seid immer noch sozusagen in der Bauphase?
Jannik
00:15:31
Genau, das hat jetzt ungefähr zwei Jahre gedauert.
Caroline
00:15:43
Erzähl mal ein bisschen was zu diesem wissenschaftlichen Austausch innerhalb von eurer Arbeitsgruppe, denn ihr arbeitet alle in diesem Forschungsschwerpunkt Laser-Plasmatechnologie, aber an ganz unterschiedlichen Enden sozusagen der Klaviatur, der Forschungsklaviatur.
Jannik
00:15:58
Ich weiß, worauf du hinauswillst. Der Punkt ist, dass wir teilweise mit unseren Forschungsprojekten und mit unserer breiten Anwendung so spezialisiert sind in dem, was wir tun, dass es manchmal schon kompliziert ist mit Kollegen über seine Probleme zu sprechen. Das kann manchmal als Vor-, aber auch als Nachteil dienen. Manchmal hilft es einem, wenn jemand nicht den gleichen Blick auf die Sache hat wie man selber, es kommen da manchmal schon recht unterschiedliche Ideen und Lösungsstrategien zustande, aber es ist trotzdem manchmal sehr schwer, über ein so breites Feld mit seinen Kollegen zu sprechen, weil man teilweise sehr spezialisiert ist in dem, was man tut.
Caroline
00:16:53
Wenn ich daran denke, dass das vielen von unseren Studierenden und Mitarbeiter*innen an der HAWK gar nicht so bewusst ist, dass dieser Forschungsschwerpunkt Laserplasma einfach so eine unglaubliche Spanne an Themen bereithält, also von der Herstellung des Materials, der Herstellung der Elektroden über verschiedene Anwendungsfelder bis hin zu dem, was du gesagt hast, was der Kollege untersucht, wenn das zum Beispiel unter atmosphärischen Bedingungen stattfindet oder Plasma erzeugt wird, dass es schwankt mit Luftfeuchte, mit Luftdruck beispielsweise oder dass so eine Plasmaelektrode irgendwie auch wetterfühlig sein kann und dass es unterschiedliche Plasmen gibt, die dann entstehen oder unterschiedliche Ergebnisse, wenn man an zwei Tagen mit unterschiedlichen Wetterverhältnissen ein und denselben Versuch macht. Also auch da gibt es noch Forschungsbedarf. Das find ich nämlich ganz spannend.
Jannik
00:17:47
Das interessante ist, es gibt mindestens so viel verschiedenen Plasmen wie es Materialien gibt und dementsprechend umfangreich ist auch die Forschung, die wir machen.
Caroline
00:18:03
Du hast gesagt, dass ihr mit dem Frauenhofer IKTS in Dresden zusammengearbeitet habt und mit mehreren Industrieunternehmen auch. Was ist denn das für ein Projekt gewesen, wer sind die Förderer und was hatte das für eine Laufzeit und wie viele Teilprojekte habt ihr da gehabt?
Jannik
00:18:22
Der Förderer oder der Kostenträger ist die IGF, das steht für Industrielle Gemeinschaftsforschung und gehört zur AiF, die Otto von Guericke Stiftung. Die bekommen ihr Geld vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und können dann im Rahmen ihrer Möglichkeiten Gelder für Forschungsprojekte freigegeben und der Name Industrielle Gemeinschaftsforschung sagt eben schon, dass hier mehrere Vertreter aus der Industrie am Forschungsgeschehen teilnehmen müssen.
Caroline
00:19:01
Folgt dem denn auch ein hoher Anteil an Transfer in die Industrie?
Jannik
00:19:07
Bei dieser Auswahl der teilnehmenden Vertreter der Industrie soll üblicherweise die komplette Wertschöpfungskette abgedeckt sein. Wenn wir jetzt so eine Plasmaelektrode erforschen, brauchen wir dazu sowohl keramische Materialien, das heißt, wir haben eine Firma dabei, die Keramik Materialien herstellt, dann brauchen wir Verarbeiter von keramischen Materialien, die das dann in Form bringen und weiter vertreiben können, solche Firmen haben wir mit in diesem Projekt-Konsortium, sowie auch Firmen, die am Ende so eine Elektrode verwenden, sei es zur Luftreinigung oder zur Oberflächenreinigung, Aktivierung, die dann am Ende eben diesen Plasmapart darstellen und Plasma erzeugen, anwenden und Geräte dazu entwickeln.
Caroline
00:20:05
Du bist ja sicherlich nicht der einzige Doktorand. Wie viele andere Forschende sind noch in dem Projekt?
Jannik
00:20:10
Auf der Hochschulseite habe ich eine studentische Hilfskraft und auf Seiten des Frauenhofers arbeite ich mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen zusammen. Bei der Antragstellung ist es vorgesehen, dass die Industriepartner einen gewissen Anteil bei den Untersuchungen liefern. Das heißt es gibt sogenannten Vorhabens bezogenen Leistungen, die können zum Beispiel Bereitstellung von Geräten sein oder bestimmte Messungen und Untersuchungen nach Normen oder wie auch immer. Die können beratend tätig sein oder auch die Materialien selbst bereitstellen. Das tun die einmal in Form dieser Leistungen und zudem sollen mindestens vier Projekt-Treffen in diesen zwei Jahren stattfinden, in denen die Ergebnisse sowohl transferiert und besprochen werden wie auch neue Schritte gesucht werden, um so ein Forschungsgeschehen in die richtige Richtung zu lenken. Also das ganze Konzept hinter diesem Forschungsrahmen ist schon, dass man eng mit der Industrie zusammenarbeitet und eben auch sicherstellen kann, dass das, was man da erforscht, auch Anwendung findet.
Caroline
00:21:40
Und was war denn so das Highlight in deinem Projekt? Wo gab es eine Erkenntnis, von der du gedacht hast „Wow, damit habe ich nicht gerechnet.“?
Jannik
00:21:52
Das Interessante an dem Forschungsprojekt das, was wir hier auf der Plasmaseite am spannendsten fanden, ist, dass das Material eine außergewöhnlich hohe Permittivität hat.
Caroline
00:22:08
Permittivität, kannst du uns das erklären?
Jannik
00:22:11
Das ist eine Materialeigenschaft, die angibt, wie transportfähig das Material für ein elektrisches Feld ist. Das heißt eine sehr hohe Permittivität sorgt dafür, dass ein elektrisches Feld besser durch dieses Material transportiert werden kann und damit ändert sich dann auch das elektrische Feld in der Entladungszone, wo ich mein Plasma zünden möchte, und damit können auch andere Plasmen hergestellt werden. Und durch diesen Effekt, das hat sich in den Simulationen am Anfang schon angedeutet, können wir unter bestimmten Bedingungen sehr homogene, also sehr gleichmäßige Plasmen erzeugen.
Caroline
00:22:54
Und diese Permittivität die ist ja als Phänomen schon vorher bekannt gewesen. Und was war jetzt die Erkenntnis?
Jannik
00:23:00
Das Besondere ist, dass die exorbitant hoch ist muss man sagen. Wir nutzen übliche Materialien als elektrischen Isolator, als Dielektrikum, die haben eine Permittivität, eine relative Permittivität spricht man meist davon, von 9, das entspricht dem Wert von Aluminiumoxid, einer anderen Keramik. Die Permittivität, die wir bei unserem Material gemessen haben ist ziemlich frequenzabhängig, zumindest in dem Messbereich, in dem wir gemessen haben, und fängt so ungefähr bei 750 an, was heißt, da liegt grob übers Auge so das 75- bis 80-fache dazwischen und das ist sehr hoch für uns angenommen.
Caroline
00:23:53
Das heißt also Ihr habt eine zentrale Erkenntnis. Ein Wow-Effekt war, dass ihr diese hohe Permittivität von Titandioxid als Halbleiter, als Dielektrikum auf einer Elektrode festgestellt und entdeckt habt.
Jannik
00:24:09
Genau. Man kann vielleicht dazu sagen Titandioxid oder Titan-, ich sage jetzt mal -derivate, sind schon bekannt für hohe Permittivitäten das stimmt. Der Literaturwert für Titandioxid liegt in der Regel aber bei 100 bis 235 glaube ich habe ich gesehen und nicht so hoch bis 750, wie wir da gemessen haben. Das heißt, die Literaturwerte können sich teilweise eben noch unterscheiden von dem, was man selber misst in seinem Anwendungsgebiet.
Caroline
00:24:50
Das war so das Highlight. Gab es auch eine Phase, in der du gedacht hast „Ich gebe auf, ich schmeiß die Brocken hin, ich will nicht mehr, das läuft nicht.“? Was waren die Flops in deinem Projekt?
Jannik
00:25:06
Ehrlich gesagt eine Phase, wo ich sage „Ne, ich schmeiß hin“ gab es nie. Ich sag mal so, Forschung ist in vielerlei Hinsicht Trial-and-Error und wenn man Niederlagen nicht wegstecken kann, dann hat man in der Forschung nichts zu suchen und dementsprechend habe ich jetzt nie irgendwie so ein Problem gehabt, wo ich sage „Jetzt ist alles hin, und das geht nicht weiter“. Es ist natürlich doof, dass dieses co-sintern, wie wir uns das am Anfang des Forschungsprojektes mit den beiden Materialien überlegt haben, dass dieses co-sintern dann nicht funktioniert. Aber nur weil es in dieser Anordnung nicht funktioniert, heißt es nicht, dass es kein Problem ist, was man in Zukunft nicht trotzdem lösen kann.
Caroline
00:25:53
Ok. Dann hast du das eben schon in einem Nebensatz erwähnt die Elektroden, um die es geht, deren Eigenschaften du erforschen möchtest, haben jetzt zwei Jahre der Projektlaufzeit gebraucht, um mit allen Vorversuchen, Modellierungen, Simulationen, Höhen und Tiefen in der Herstellung sozusagen auf deinem Schreibtisch zu liegen und die Messungen können losgehen. Und euer Projekt läuft noch sechs Monate?
Jannik
00:26:27
Drei. Also in diesen letzten drei Monaten müssen wir jetzt noch einige Versuche machen. Unter anderem eben schauen wir uns an, wie gut die Elektroden in der Luftreinigung funktionieren, um beispielsweise die Luft zu entkeimen oder Gerüche abzubauen zum Beispiel. Wir untersuchen aber auch, ob sich damit Oberflächen desinfizieren lassen, oder die Oberflächenenergie bestimmter Materialien erhöhen lässt.
Caroline
00:26:55
Und das kriegst du in den letzten drei Monaten noch unter?
Jannik
00:27:00
Muss ich. Ich denke schon, ja.
Caroline
00:27:09
Wie weit bist du denn dann mit deiner Promotion?
Jannik
00:27:14
Im Rahmen des Projektes komme ich nicht zu einem Ende der Promotion, auf jeden Fall. So richtig überlegt, dass ich promovieren will und mich richtig eingeschrieben habe das war erst letzten Sommer so. Die Idee gab es schon vorher, aber bis man sich erst mal richtig gefunden hat und in der Wissenschaftswelt eingelebt hat und eine Idee dazu bekommen hat, was jetzt das Thema sein könnte, vergeht in der Regeln ein bisschen Zeit. In der Regel ist es immer erst einmal wichtig das Forschungsprojekt entsprechend zu bedienen und Publikationen und die Promotion sind im Arbeitsalltag erstmal zweitrangig.
Caroline
00:27:56
Ich denke, das ist ganz wichtig auch für unsere Hörerschaft, weil wir auch Studierende, Masterstudierende dabeihaben, die sich dafür interessieren, wie das denn mit so einer Promotion an der Fachhochschule oder überhaupt mit einer Promotion läuft und eine sehr ideale Vorstellung davon haben, dass man an einem Projekt anfängt zu arbeiten und ein Exposee schreibt oder einen Arbeitsplan und dann anfängt an seinem Thema zu arbeiten und nach drei Jahren fertig ist.
Jannik
00:28:22
Das wäre das Optimum, ja.
Caroline
00:28:24
In der Realität sieht es aber anders aus. So, wenn du jetzt noch drei Monate Laufzeit hast Jannik, wie geht es denn dann weiter mit dir? Mit so einem jungen Wissenschaftler mit nicht abgeschlossener Promotion?
Jannik
00:29:29
Sehr unterschiedlich. Wir haben viele Ideen. Ich schreibe Anträge und wir haben auch schon Anträge gestellt, die jetzt Folgefinanzierungen ermöglichen sollen. Bislang ist noch keiner davon bewilligt, aber wir sind da eigentlich guter Hoffnung, dass da was dabei ist.
Caroline
00:29:53
Also, wenn du jetzt noch fünf Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HAWK tätig bist, was sollte sich deiner Meinung nach in fünf Jahren geändert haben?
Jannik
00:30:07
Bis in fünf Jahren wäre ich gerne mit der Doktorarbeit fertig. Also eigentlich bin ich recht wunschlos glücklich. Ich finde, dass es eigentlich so ungewiss ist, teilweise, was jetzt demnächst passiert, dadurch kann man immer sehr innovativ auf viele Problematiken eingehen. Zum Beispiel die Corona-Krise hat jetzt unsere komplette Ausrichtung im Bereich Luftreinigung viel verschärft und das ist etwas, was man sich jetzt nicht vorstellen kann, wie in fünf Jahren irgendwas sein sollte, sondern spannend ist ja, wie man eben auf so eine Situation dann reagiert oder Einfluss nehmen kann und deswegen wünsche ich mir nichts irgendwie, was in fünf Jahren sein sollen wird, außer vielleicht eben die fertige Promotion. Weil es ja viel spannender ist, auf das Ungewisse zu reagieren und zu forschen und zu machen. Ich glaube, einer der spannendsten Momente war, als ich noch hier meine Masterarbeit geschrieben habe. Da kam ein Kollege rein und sagte „Jannik, ich brauche mal deine Hilfe, irgendwer muss den Not-Aus Knopf möglicherweise betätigen.“. Und dann sind wir also hoch in sein Labor gegangen und er hat mich dann da hingestellt und ich habe darauf gewartet und er hat das erste Mal glaube ich so eine Apparatur in Betrieb genommen, da ist dann so ein Behälter und ganz viel Wasser und irgendwie kamen da Rohre rein und dann hat das geblubbert und gebrodelt und keine Ahnung was und ich fand das so total abgefahren und dachte mir cool, das ist wie aus dem Film. Es blubbert, brodelt, es gibt irgendwelche Geräusche und irgendwer steht am Not-Aus und hofft, dass nichts passiert. Und dann hat er nach einer Minute oder so, ich weiß es nicht mehr so genau, ein pH-Stäbchen reingehalten und hat gesagt „Hier, ich hab aus Wasser jetzt gerade eine Säure gemacht.“ Eine andere schöne Story war, als dann so auch einer unserer Alteingesessenen irgendwann vormittags ins Labor kam und erst einmal eine Packung voller bunter Strohhalme mitgebracht hat. Er brauchte für einen kleinen Versuch einfach eine laminare Strömung, das heißt also Luftströmung, die sehr gleichmäßig ist. Und dann hat er die alle vor so einen PC-Lüfter gestopft und hat da rausgepustet und hat eine laminare Strömung erzeugten und das einfach mit ein paar Strohhalmen, die er gerade im Supermarkt gekauft hat.
Caroline
00:33:13
Herzlichen Dank auch an unsere Hörerinnen und Hörer und wir hoffen Ihr und Euer Interesse mit diesem Interview geweckt zu haben. Wer weitere Informationen wünscht sei auf die Shownotes hingewiesen, die diesem Podcast angehängt sind. Und wer gerne auch sein Projekt oder Forschungsvorhaben oder Forschungsschwerpunkt vorstellen möchte, kann sich gerne bei uns melden. Wir, das sind Caroline Maas vom HAWK Promotionskolleg und Florian Aue von der Pressestelle. Na dann, vielleicht bis zum nächsten Mal, herzliche Grüße und alles Gute.